Haarfarben, eine lange Geschichte
Bei Adam und Eva dürfte er wohl noch nicht vorhanden gewesen sein, spätestens aber bei den Neanderthalern war er
da: der Wunsch nach Haarverschönerung durch Färben. Dies belegen zumindest Höhlenmalereien und
zeitgenössische Fundstücke. Ob in der Steinzeit, in Ägypten, Griechenland oder im alten Rom - genau wie heute
suchten schon damals die Menschen nach Mitteln und Wegen zur modischen, farblichen Veränderung der Haare.
Kalbs- und Schlangenblut in Ägypten
Schon in Ägypten war das Haarefärben bestens bekannt. Die natürlichen Haarfarben der Ägypter waren Braun,
Schwarzbraun und Blauschwarz bis Tiefschwarz. Eine Ausnahme scheint Ramses II. (1290 - 1224 v.Chr.) gewesen
zu sein, der rotes Haar und blaue Augen hatte. Die Ägypter legten viel Wert darauf, ihr eigenes Haar in Farbe,
Natürlichkeit und Fülle zu erhalten. Mittel gegen das 'Ergrauen' oder Ausfallen waren Teil des Hauptgeschäftes der
ägyptischen Ärzte. Das Weisswerden der Haare wurde zum Beispiel durch das "Kochen von Blut eines schwarzen
Kalbes, Rindes, Schlange, das mit Öl auf das Haupt gesalbt wird" verhindert. Mehr als das eigene Haar wurden
Perücken gefärbt, die für verschiedene Anlässe und Zeremonien ein- bzw. aufgesetzt wurden. Die beliebtesten
Farben dafür waren Blaugrün, Blond und Rotblond. Die Perücken der ägyptischen Soldaten waren blau, wohl in
Anlehnung an die blaue Kriegskrone des Pharaos. Als Färbemittel dienten unter anderem Indigo und Henna.Auch bei
den Sumerern und Babyloniern stand das Haarefärben hoch im Kurs. Die natürliche Haarfarbe bei diesen
orientalischen Völkern war dunkelbraun bis schwarz. Bitumen und Stibium, ein Antimonit, diente zum Schwarzfärben
weissgewordener Haare. Eine Blond- oder Rotblondfärbung der Haare ist vielfach bezeugt. Als Färbemittel waren
Safran, Henna und verschiedene Pasten eifrig im Einsatz.
Blonde Kinder des Lichtgottes in Griechenland
Die vorherrschende Haarfarbe bei den Griechen war schwarz. Aber auch blonde oder rotblonde Griechen waren nicht
selten, wobei offen bleibt, ob es sich um gefärbtes oder natürliches Blond handelte. Blondes Haar galt als Haarfarbe
der Götter und Helden - kein Wunder also, dass die natürlichen Blonden als Kinder des Lichtgottes bezeichnet
wurden. Rothaarige dagegen hatten es nicht so leicht, denn: "Nichtswürdig sind alle Fremden, Bösewichter und
Rothaarige" (Aristophanes). Bei älteren Menschen war das Haarefärben verbreitet, um das weisse Haar zu
überdecken. Doch wurde dies häufig als Zeichen der Verweichlichung verachtet: "Ein alter Mann kam mit gefärbtem
Haar nach Sparta ..., der König stand auf und sagte, was kann ein Mensch schon Kluges sagen, wenn er schon die
Lügen auf dem Kopf trägt", wie der Historiker Aelian berichtet.Zum Haarefärben gab es die verschiedensten
pflanzlichen Extrakte. Das einfachste Mittel zum Blondieren war es, stundenlang mit gewaschenem Haar in der
prallen Sonne zu sitzen, Sonnenstich inklusive. Die Reichen täuschten Blondheit vor, indem sie sich Goldfäden ins
Haar einwoben; diese Fäden fanden sich bereits in Gräbern des 2. Jahrhunderts v.Chr.
Germanisches Haar für die Römerin
Die bevorzugte Haarfarbe bei Männern und Frauen in der römischen Kaiserzeit war Blond, das in verschiedenen
Nuancen (besonders Gold- oder Rotblond) zur Geltung kam. Reiche Römer streuten sich dafür auch Goldstaub auf
die Haare. Bis zu ihrem Verbot im Jahre 672 v.Chr. waren Perücken und Haarteile überaus beliebt. Vor allem das
blonde Haar der Germaninnen faszinierte die Römerin: "Wirst nun gefangenes Haar fernhin von Germanien dir holen;
ein unterworfenes Volk verleiht dir Deckung und Schmuck" (Ovid, Amores). Das blonde Haar der Germaninnen wurde
zu Perücken verarbeitet, die in Rom reissenden Absatz fanden. Wer sich die teuren, abgeschnittenen Haare der
germanischen Sklavinnen nicht leisten konnte, versuchte die blonde Pracht mit Hilfe von Birkenschalen, Eidottern und
Kamilleblüten auf den Kopf zu zaubern. Half das alles nichts, blieben als letzter Ausweg zum Färben nur noch
alkalische Seife, germanische Kräuter und Salben sowie stundenlanges Ausharren unter intensivster
Sonnenbestrahlung.
Furchterregendes Rot für die Germanen
Auf die Haarpflege legten die Germanen grossen Wert. So benutzten sie Seifenkugeln, die aus Wiesbadener
Thermalquellen stammten. Diese Kugeln reinigten das Haar nicht nur, sondern färbten es auch rot. Damit sorgten die
Germanen für ihr furchterregendes Aussehen im Kampf. Den Seifenkugeln mussten zum Rotfärben der Haare
allerdings mineralische und pflanzliche Stoffe wie Mennige, Ocker oder Zinnober beigemengt werden. Von den
Römern wurde dieses Mittel 'Sapo' genannt und ebenfalls als Haarfärbemittel verwendet. Als Wurzel dieses Wortes
diente das germanische saipon, im Althochdeutschen seifar (Schaum), woraus das heutige Seife entstand.
Im Mittelalter: rote Haare als Erkennungsmerkmal für Hexen
Im Mittelalter hegte und pflegte man - ebenso wie schon in der Antike - eine besondere Abneigung gegen Rothaarige:
"Trau keinem Rotkopf, das sind schlechte und jähzornige Menschen", heisst es in dem um 1000 entstandenen
Ruodlieb-Epos. Ein Rothaariger wie Kaiser Otto II. (973 - 983) galt daher als übel man. Diese Abneigung gegenüber
Rot machte sich auch in der Kunst bemerkbar: hier wird zum Beispiel der Verräter Judas ab etwa 1300 mit rotem Haar
dargestellt.
Blond wurde bevorzugt, Gold- und Gelbblond galten als die schönsten Haarfarben. Wer kein blondes Haar hatte, dem
wurde ein Mangel des Standes, des Charakters oder die Herkunft aus einer barbarischen Nation nachgesagt. Kein
Wunder, dass das Haarefärben zu dieser Zeit hoch im Kurs stand. Im späten Mittelalter versuchte man, sich
vorwiegend entweder eine blonde oder
aber schwarze Haarpracht zuzulegen. Rothaarige Frauen liefen jetzt sogar Gefahr, als Hexen verbrannt zu werden.
Um dunkle Haare aufzuhellen, wurde geraten, eine Paste aus gesalzenen roten Schnecken auf die Kopfhaut
aufzutragen. Zum Schwarzfärben war ein Brei aus feingeriebenen Granatäpfeln und grünen Walnussschalen mit
einem Zusatz von Gallapfelpulver und Alaun erforderlich. Mit diesem Brei bestrich man das Haar, fügte eine Mischung
aus Schwefel und Öl hinzu und liess es einen Tag und eine Nacht trocknen.
Blonde Renaissance-Schönheiten
Die elegante Dame der Renaissance trug bevorzugt blonde Haare. Besass sie diese nicht von Natur aus, so war kein
Mittel für das ersehnte Goldhaar zu teuer. Gelegentlich wurden Kontraste eingesetzt: zum Beispiel bräunliches Haar
am Oberkopf, blondes an den Seiten oder umgekehrt. Um das gewünschte Blond in den verschiedensten Tönungen
zu erreichen, waren allerdings schwierige und langwierige Prozeduren erforderlich.Aus den Rezepten zum
Haarebleichen machte man eine grosse Geheimniskrämerei. Gelegentlich konnten diese - vermutlich nicht allzu
wirksamen - Mittel die absonderlichsten Ingredienzen enthalten: Eidechsenfett, Schwalbendreck und gebrannte
Bärenknochen waren nicht ungewöhnlich. Manchmal wurde das aufgehellte Haar sogar mit Goldstaub und Irispuder
eingestäubt. Im 16. Jahrhundert wurde das 'Tizianrot' immer beliebter. Erreicht wurde es durch Henna. Einen ganz
besonderen Trick beherrschten die Venezianerinnen: nach einer Kamillenwäsche bleichten sie das Haar in der
Sonne, indem sie es auf der Krempe eines Strohhutes ausbreiteten und in der
Sonne trocknen liessen. Sobald die Haare trocken waren, wurden sie immer wieder mit einem in eine bleichende
Essenz getauchten Schwamm befeuchtet.Andere zum Bleichen und Färben des Haares empfohlene Mittel lassen uns
heute die Haare zu Berge stehen: Safran und eine Mischung aus Schwefel, Alaun und Honig waren nicht immer
ungefährlich. Ein Doktor Marinello aus Modena warnte bereits 1562 in einem Traktat vor den unliebsamen Folgen des
Bleichens: Die Kopfhaut könnte ernsthaft geschädigt werden und das Haar an der Wurzel ausfallen. Nichtsdestotrotz
liess auch in der Spätrenaissance der Trend zum Haarefärben nicht nach. Schwarze Haare wurden unmodern,
Elisabeth I. von England brachte einen rötlichen Ton in Mode, der ihrer natürlichen Haarfarbe entsprach. Der
italienische Gelehrte Gianbattista della Porta (1535 - 1615) hielt es nicht für unter seiner Würde, ausführliche
Anweisungen zum Färben des Haares zu erteilen: Man möge das Haar mit einem Sud aus dem Bodensatz von
Weißwein
und Honig die ganze Nacht feucht halten, danach trage man eine Mischung aus zerquetschten Wurzeln von
Schellkraut und dem Öl von Kümmelsalat, Buchsbaumspäne und Safran auf und wasche diese Mixtur nach 24
Stunden mit einer Lauge aus Kohlstrünken und Roggenstroh ab.
Die barocke Fontange-Frisur - eine Haarpracht in Schwarz
Im Spätbarock war die Fontange-Frisur, kreiert von der Geliebten König Ludwigs XIV., für drei Jahrzehnte
tonangebend. Für diese Frisur war Schwarz ein Must. Wer nicht wußte, wie man dieses Schwarz erreichte, dem half
das Lady's Dictionary: Eine Mischung aus Eichenwurzel-Rinde, grünen Walnußschalen, schwerem alten Rotwein und
Myrtenöl sollte Haar jeder Farbe pechschwarz färben. Ein weiteres altbewährtes Mittel war der Bleikamm, der vor
allem gegen rotes Haar helfen sollte.
Farbiger Aberglaube im Rokoko
Zur Hochzeit der Perückenmode spielte natürlich auch deren Farbe eine wichtige Rolle: Silberweiß und blond sollte
sie sein, auch Schwarz stand in der Beliebtheitsskala ganz oben. Braunes Haar dagegen war weniger gefragt und
wurde in der Sonne gebleicht. Auch vor den Männern machte die Mode nicht halt: wie die Hofdamen trugen sie rosa,
violett oder blau gepuderte Perücken. Hochkonjunktur hatte die Ableitung der Haarfarben von den "verschiedenen
'Temperamenten' und der Beschaffenheit des Geblüts und des Flüss-Wassers (...), wie denn diejenigen Personen, so
einer feuchten und flüssigen Natur sind, gerne blonde und weisslichte Haare haben, die jähzornigen und mit vieler
Galle beschwerten, röthlichte, die schwermüthigen und melancholischen schwarzte, die Blut-reichen, und welche
eines frölichen Gemüths sind, schöne gelbe." Sicher war dieser Aberglaube der Grund dafür, dass viele Frauen durch
das Haarefärben ihr Temperament verschleiern wollten.
Ätzende Rezepte im Biedermeier
Der Literatur kann man entnehmen, dass in der Biedermeierzeit rotes und graues Haar unbeliebt gewesen ist und
Schwarz die bevorzugte Haarfarbe war. Aber auch von schönem blonden Haar wurde geschwärmt. Ignaz Jackowitz
schreibt dazu 1844 in seinem Buch der Haare: "Da es jedoch bei uns nicht an Menschen fehlt, welche über jedes
graue Haar oder rothe Härchen herfallen, und hiernach nicht selten den ganzen Menschen taxieren, so kann es Fälle
geben, wo man lieber durch Kunst Das ersetzt, was uns die Natur stiefmütterlich versagt, und für solche Fälle muss
man hier Rath finden."
Auch im Biedermeier sah man bei roter Haarfarbe für die Trägerin schwarz, die alle möglichen schlechten
Eigenschaften in sich vereinigte. Die Rezepte zum Färben wurden immer komplizierter und anscheinend auch
gefährlicher. Ein Mittel, um sich die Haare zu schwärzen, sieht zum Beispiel so aus: "Man verfertiget sich ein starkes
Galläpfeldekot, und wäscht die Haare damit, und lässt sie trocknen; hernach wäscht man sie mit einer Auflösung von
grünem Eisenvitriol, und lässt sie abermals trocknen. Dann wäscht man sie wieder mit dem Galläpfeldekot , und
hernach wieder mit der Auflösung von Eisenvitriol, und dieses wiederholt man so oft, bis sie die gehörige Schwärze
angenommen haben. Das Galläpfeldekot bereitet man, indem man ein Viertelpfund türkische Galläpfel gröblich
zerstösst, und in einem neuen Topfe mit vier Nössel Wasser bis auf drei Nössel Flüssigkeit einkocht, die man dann
durchseiht, und aufbewahrt. Die Eisenvitriollösung wird aus drei Unzen Eisenvirtriol und zwei Pfund Wasser
verfertiget."Beliebt war auch das 'Griechische Wasser', das aus Silber, aufgelöst in Salpetersäure, besteht. Diese
metallischen Mittel waren extrem gefährlich, weil sie Schwellungen, Kopfschmerzen und Vergiftungen hervorriefen.
Kein Wunder also, dass hin und wieder geraten wurde, sich in der Pflanzenwelt nach geeigneten Färbemitteln
umzusehen.
Historismus - Rot für die Kokotte
In der Zeit um 1870 blieb das Färben nach wie vor beliebt.
"Die Holländerinnen färben sich ihre rothen Haare schön blond nur durch Seife und Pottasche, welche sie zu gleichen
Theilen in Wasser auflösen. Oefter als dies will man jedoch fuchsrothe, oder gelbgraue oder graue Haare gern dunkel
färben, und hier steht das griechische Wasser oben an. Da es jedoch nicht räthlich ist, es sich selbst zu machen, so
wollen wir auch nicht das Rezept dazu hersetzen, sondern nur soviel davon sagen, dass es ein ätzendes,
metallisches Mittel ist, und alle metallischen Mittel leicht schädlich werden können. Man thut daher viel besser, sich in
der Pflanzenwelt Raths zu erholen. Hält die Farbe auch nicht so fest, wie von jenem, so lässt sie sich doch jeden
Morgen neu ersetzen, und dies hat auch sein Gutes" (Jackowitz).
Rotes Haar galt als ordinär und entsprechend das Rotfärben als unschicklich. So ist die Darstellung der Kokotte
'Nana' mit rotem Haar von Edouard Manet typisch; bis in die heutige Zeit hat sich das Vorurteil gehalten, dass
Rothaarige über ein besonderes Mass an Sensibilität, Erregbarkeit und Sinnlichkeit verfügen.
Farbenfreude im 20. Jahrhundert
Von der Gründerzeit bis zum Ersten Weltkrieg war das Tragen der natürlichen Haarfarbe en vogue, es wurde daher
kaum gefärbt. Man verzichtete auf Accessoires, um die natürliche Schönheit des Haares wirken zu lassen.Zwischen
den beiden Weltkriegen sorgte die Einführung der Oxidationshaarfarben für Furore. Das Färben war von nun an völlig
problemlos. Fast alle Farbnuancen waren machbar, jede Wunschhaarfarbe liess sich ohne Schwierigkeiten und
langwierige Prozeduren auf's Haar zaubern. Vorbilder für die Wunschhaarfarbe wurden die Stars aus Hollywood:
Marilyn Monroe war die Verkörperung des blonden Vamps, Rita Hayworth die verführerische Rothaarige -
Wunschbilder, denen viele Frauen durch das Färben ihrer Haare nacheifern wollten. So richtig farbenfreudig wurde es
in der Hälfte der 70er Jahre mit dem Auftauchen der ersten Punker, deren Mode und schrille Haarfarben schnell
Einzug ins Establishment fanden. Seit dieser Zeit findet sich kaum noch eine Frisur, die nicht zumindest mit farbigen
Strähnchen ein wenig aufgepeppt ist - und das nicht nur bei den Frauen, sondern auch bei den Männern.
Was früher also in war, ist heute noch lange nicht out. Im Gegenteil: noch nie war das Haar bunter und
farbenfreudiger als heute. Allerdings ist das Haarefärben heute nicht mehr mit schmerzlichen oder anrüchigen
Verfahren verbunden, niemand muss mehr auf geheimnisvolle Tinkturen oder obskure Rezepte zurückgreifen. Der
Wunsch nach einer farblichen Veränderung der Haare ist heute dank moderner Farben und Tönungen so leicht
erfüllbar wie nie zuvor.